Walt Disney sah Fantasia als etwas ganz Besonderes an. Er wollte, dass der Filmbesuch ein Ereignis sollte, ein besonderer Anlass, für den man sich zurechtmacht und Plätze reserviert. Die Programmhefte zum Film waren aufwändig gestaltet und enthielten Produktionsskizzen und Fotos sowie eine Zusammenfassung zu jedem Kurzfilm – ähnlich wie ein Theaterprogrammheft. Analog zum Theater gab es im Programmheft einen Hinweis auf den Dresscode: Abendkleid und Frack.
Der Vertrieb der Disney Filme war bisher über RKO organisiert worden. Doch RKO sträubte sich bei Fantasia, denn dort war man der Auffassung, dass zwei Stunden und fünf Minuten mit einer zusätzlichen Pause einfach zu lang für einen Kinobesuch seien und eine allgemeine Veröffentlichung daher nicht der geeignete Weg für diesen Film sei. Die Vertragsbedingungen mit Disney wurden daher für Fantasia gelockert. Auf diese Weise konnte Disney seine Vorstellungen zur Darbietung des Films selber steuern.
Die Premiere
Die Premiere fand am 13. November 1940 im selben Theater statt, in dem Steamboat Willie uraufgeführt wurde. Die Wahl fiel auf das Broadway Theater, das früher als Colony bekannt war und in dem die berühmte Maus fast auf den Tag genau 12 Jahre zuvor, am 18. November 1928, in Steamboat Willie debütiert hatte, in erster Linie, um den Aufstieg von Mickey Mouse zu unterstreichen. Walt beschrieb es als den größten Nervenkitzel in Mickeys Schauspielerkarriere. In nur 12 Jahren hatte sich Mickey von einem noch recht primitiven schwarz-weißen Dampfschiffkapitän zu einer der schillerndsten Figuren von Hollywood entwickelt.
Das Broadway Theater war vollständig mit der Technik für Fantasound ausgestattet. Es gab jeweils zwei Vorführungen am Tag, für die im Voraus Plätze reserviert werden mussten. Disney hatte genaue Anweisungen zur Vorführung erstellt, die unter anderem den Vorhang und die Beleuchtung betrafen.
1940 wurde Fantasia ausschließlich in 13 ausgewählten Theatern gespielt, von denen die meisten keine Kinos, sondern richtige Theater waren, darunter das Majestic in Boston und das Geary (heute das American Conservatory Theater) in San Francisco. Das renommierte Carthay Circle Theatre in Los Angeles war ebenfalls mit von der Partie. Das Carthay Circle wurde als Schauplatz einiger der glanzvollsten Premieren Hollywoods gefeiert, nicht zuletzt fand dort die Uraufführung von Schneewittchen und die sieben Zwerge am 21. Dezember 1937 satt. Daher durfte es im Reigen der exklusiven Spielorte, an denen Fantasia gezeigt wurde, nicht fehlen.
Die Laufzeit an den meisten Spielorten war außergewöhnlich lang. So lief Fantasia am Broadway 49 Wochen hintereinander, die längste Laufzeit, die ein Film zu dieser Zeit erreichte. Im Carthay Circle Theater war der Film für 39 Wochen zu sehen.
Der Film lief insgesamt 57 Wochen lang bis zum 28. Februar 1942.
Die Reservierung der Plätze erfolgte zum Teil von Zuschauern, die hunderte Meilen vom Spielort entfernt lebten.
Erfolge an der Kinokasse
Fantasia spielte in den ersten 16 Wochen in New York über 300.000 $ ein. Bis April 1941 konnten insgesamt 1,3 Millionen Dollar eingespielt werden, aber die Produktions- und Installationskosten von 85.000 Dollar für ein einziges Fantasound-Setup und die Anmietung von Theatern zwangen Disney dazu, seine Kreditgrenzen zu überschreiten. Darüber hinaus verhinderte der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Pläne für eine mögliche Veröffentlichung in Europa, wo normalerweise knapp die Hälfte der Einnahmen des Studios erzielt wurden. Bis zu 88 Engagements waren für fünf Jahre geplant, aber die Nachfrage nach Material während des Krieges beschränkte die Zahl der Fantasound-Kopien auf 16. Schließlich wurden bis auf eine alle Fantasound-Installationen abgebaut und die Technik für die Kriegsanstrengungen zur Verfügung gestellt.
Schnitt, Sound & weitere Änderungen
Im Januar 1941 gingen die Vertriebsrechte an Fantasia an RKO. RKO mischte den Soundtrack neu, sodass er in Mono zur Verfügung stand. Dieser Schritt erfolgte, um den Film besser vertreiben zu können. Außerdem wurde der neueste Disney Zeichentrickfilm Ende 1941 von 125 Minuten auf 81 Minuten gekürzt. Zum einen wurde dazu die Einleitung stark zusammengeschnitten und die Toccata und Fuge d-Moll BWV 565 von Johann Sebastian Bach komplett gestrichen. Diese neue, kürzere Version des Trickfilms wurde am 6. Januar 1942 in den USA veröffentlich. Das Publikum war dennoch nicht begeistert und strafte den Film überwiegend mit Missachtung. 1946 wurde die herausgeschnittene Szene wieder eingefügt, die Einleitung aber weiterhin als Kurzfassung belassen. Dennoch stieß Fantasia weiterhin auf wenig Gegenliebe beim Publikum und entwickelte sich zum Flop.
Eine unerwartete Fangemeinde
Erst rund 20 Jahre später wurde Fantasia zum Erfolg. In den späten 60er Jahren erfreute sich der Film plötzlich in einer völlig unerwarteten Zielgruppe großer Beliebtheit: die Hippies hatten Disneys dritten abendfüllenden Film für sich entdeckt. Es zeigte sich, dass der, in vielen Sequenzen psychedelisch anmutende, Film in Kombination mit dem Genuss von Haschisch, LSD oder anderer Drogen eine ganz neue Wirkung entfaltete und vom Publikum geliebt wurde. Die Walt Disney Company sah darin eine Chance und bewarb den Film erneut, unter anderem mit Plakaten, auf denen Fantasia als Trip-Film bezeichnet wurde. Ein kluger Schachzug, der dem Film zu neuem Interesse und damit auch Erfolg verhalf.
Im Zuge dieser Kampagne wurde die Esel-Zentaurin aus dem Kurzfilm Pastorale entfernt, da die Darstellung als rassistisch angesehen wurde.
Neuauflagen fürs Kino und Heimkino
1982 kam der Film Fantasia erneut in die Kinos. Zu diesem Anlass wurde der Soundtrack mit einem Studioorchester neu aufgenommen, damit er zukünftig in Stereo ausgestrahlt werden konnte. Das Orchester wurde von Irwin Kostal dirigiert. Deems Taylors Kommentare zu den Szenen wurden von einem Stimmenimitator neu eingesprochen.
1990, zum 50. Geburtstag von Fantasia, wurden das originale Bild- und Tonmaterial restauriert und die Urversion des Films wiederhergestellt (bis auf die Szene mit der Esel-Zentaurin Sunflower). Dazu wurde ein neuer Abspann erschaffen.
2010 erschien die bisher letzte Fassung in der ursprünglichen Länge. Die Kommentare von Deems Taylor wurden für diese Version neu eingesprochen, da die Originalaufnahme verschollen war und somit nicht aufbereitet werden konnte.
Fantasia in Deutschland
In Deutschland war Fantasia 1952 erstmals im Kino zu sehen. Es sollte bis 2014 dauern bis Fantasia erstmals im deutschen Free-TV ausgestrahlt wurde. Dies erfolgte am 20. Juni 2014 auf dem Disney Channel. Inzwischen steht Fantasia bei Disney+ zum Streamen bereit.
Das Filmplakat
Das Original Kinoplakat von 1940 ist ebenfalls erwähnenswert, denn darauf steht Walt Disney’s Fantasia with Stokowski. Abgesehen von Verleihern war es damals extrem selten, dass eine andere Person als Walt Disney auf dem Filmplakat erwähnt wurde. Noch dazu steht auf dem Plakat nicht Leopold Stokowski, sondern lediglich Stokowski. Ein Beleg für den Kultstatus, den der Musiker damals genoss. Er war weit mehr als ein Dirigent, er war ein echter Superstar, der sogar die Titelseite des Time Magazines zierte, einmal im Jahr 1930 und dann 1940 erneut. Er war seit den 1910er Jahren für seine meisterhaften Aufnahmen und Radioauftritte bekannt, selbst denjenigen, die eher selten klassische Musik hörten.