Uff!
Wir haben die (blöde?) Tradition, dass wir bei jedem DLP-Besuch versuchen, Fotos zu machen, die uns in unseren diversen Disney-Charakter-Tshirts mit den entsprechenden Figuren im Arm zeigen. Dicki hatte an dem Tag Glück: Er trug das Pluto-Shirt, und eben jener wartete morgens vorm Hotel auf Foto-Knippser. Perfektes Timing! Ich trug Mickey Mouse, und musste nun natürlich nachziehen. Nun ist es nicht sooo einfach, den Mickey im Park anzutreffen, und mit einem tiefen Seufzer ließ ich mich zu ""Meet Mickey Mouse" überreden.
In serpentinenartigen Warteschlangen trippelt man durch das eigentliche "Theater", auf der Leinwand laufen Mickey-Comics, es ist brütend heiß, und man nähert sich dem "Backstage-Bereich", in dem man die langersehnte Minute Zeit hat, das perfekte Foto zu schießen. Vor uns ein junges italienisches Paar mit einer sehr süßen sehr kleinen Tochter, die sich nur krabbelnd vorwärts bewegte, und anscheinend schon einen Schuhtick hatte: Jeder Schuh wurde betatscht, beklopft, begutachtet. Davor: Ein bulliger Belgier mit Sohn, ca 7, die Haare mit Pomade zu kunstvollen Stacheln frisiert (der Sohn).
Nach diversen Trippel-Schritten gelangt man langsam ins Allerheiligste, man wird gruppenweise durch verschlungene Gänge in die "Garderobe" von Mickey geführt. Dort ist es eiskalt. De KLimaanlage läuft auf Hochtouren.
Andächtiges Schweigen!
Mickey!
Man sieht schon um die Ecke einen weißen Handschuh, und hört (!) die, ähm: Domina? Zuchtmeisterin? Die Furie. Offenbar die Beschützerin von Mickey. Sie schreit durchdringend: "No no, that´s not ok, .... Go! Go! ... Stop, not this! .... You´re finished"
Na das kann ja heiter werden.
Wir lugen um die Ecke, der Belgier ist dran. Sein pomadiger Filius bearbeitet demonstrativ gelangweilt sein Kaugummi, während der Vater sich offenbar was ganz doll Lustiges ausgedacht hat: Er will sich neben Mickey stellen und ihm mit dem Victory-V aus Zeige- und Mittelfinger hinter seinem Rücken noch Extra-Ohren verleihen. Die Furie springt sofort dazwischen: "NO Foto like this". Mickey lässt etwas den Kopf hängen. Nun will der Belgier ein Foto, in dem er spaßeshalber Mickey an die Gurgel geht, er legt ihm beide Hände um den Hals. Der Sohn gröhlt.
"NOOOOO!"
Der Einfallsreichtum des Belgiers scheint unerschöpflich, vielleicht wäre ja ein Motiv möglich, bei dem er sich vor Mickey auf den Boden legt und Mickey in Siegerpose einen Fuß auf seinen Kopf stellt? Sohnemann ist be-, Furie ist ent-geistert.
So schnell wie sie dran waren waren die beiden auch schon wieder draussen.
Mickey schüttelt den Kopf, geht in eine uneinsehbare Ecke hinter einem Paravent, die Furie hinterher. Dann erscheint sie wieder, blickt auf die kleine wartenede Gruppe, geht wieder hinter den Paravent. Erregte Diskussion ist zu hören. Endlich erscheinen die beiden wieder. Das italienische Paar mit der kleinen Tochter ist dran, Sie wissen schon, die niedliche Schuhfetischistin. Die Furie wird ganz zahm und versucht, das Kind auf die Beine zu stellen. Die Eltern zücken unisono ihre Handykameras und blicken aufmunternd-erwartungsfroh. Doch das Kind wähnt sich im Schuh-Paradies: SOOO große Schuhe hat es noch nie gesehen, und sie glänzen so schön! Es fällt vor Mickey auf den Bauch, umarmt die Schuhe und beginnt sie abzulecken. Die Furie schaut hilflos, Mickey versucht das Ganze zu ignorieren und die Eltern knippsen wie verrückt. Die Furie macht Mickey ein Zeichen, der beugt sich etwa unbeholfen herunter, tatscht das Kind mit seinen Handschuhen auf den kleinen Kopf, aber von nichts und niemand würde sich die Kleine von diesen tollen Schuhen ablenken lassen.
Nachdem auch dieses denkwürdige Schauspiel beendet war musste Mickey erst wieder eine Auszeit nehmen. Hinter dem Paravent ertönen aufgeregte Stimmen.
Doch nun sind wir dran!
Die Furie schaute mich an, dann den Dicki, und blickte suchend umher.
"No child???"
Nein, no child, nur die beiden großen erwachsenen Männer in Pluto- und Mickey-Tshirts.
"Go, go" seufzte sie.
Dicki zückte die Kamera, ich gehe auf Mickey zu, reiche ihm die Hand, mache eine kleine Verbeugung und zeige ihm mein Shirt. Er schaut kurz und nickt.
(Pluto vorm Hotel ist fast ausgerastet vor Stolz, als er Dickis Shirt mit seinem Konterfei sah, und ich erinnere mich an eine denkwürdige Begegnung mit Goofy in den Studios, als ich "sein" T-Shirt trug und er mich gar nicht wieder loslassen wollte, so doll freute er sich. Nun ja, Mickey nickt.)
Wir machen ein paar Fotos, Mickey steht starr neben mir, ich lege ihm schüchtern den Arm um die Taille, damit wir nicht blöd nebeneinander stehen müssen, und schon ist es vorbei.
"Thank you, go go!"
Jaja, wir gehen ja schon.
Im Gehen werfe ich einen Blick zurück. Die Furie schiebt wild gestikulierend die anderen Wartenden zurück, und Mickey steht mit hängenden Schultern in seiner eiskalten Kulissen-Garderobe und zerrt an seiner Kopfmaske. Im letzten Moment sehe ich, wie er sie abnimmt. Zum Vorschein kommt eine sehr erschöpft aussehende dünne kleine Asiatin, die Haare sind verklebt, die Stirn schweißnass. Die junge Frau sieht nicht älter aus als 18, der Anblick ist grotesk: Bis zum Hals Mickey Mouse, in Frack und roter Hose, pummelig ausgepolstert, und aus dem Kostüm ragt ein kleiner zerzauster Mädchenkopf.
Wir gehen aus dem kalten Dunkel hinaus in den warmen Sonnenschein, und auf einmal habe ich das dringende Bedürfnis, tief durchzuatmen und ein großes Bier zu trinken.