Bzgl. Song of the South liegt der nicht im vor allem unwiederbringlich im Tresor weil das Thema Sklaverei verniedlicht wird? So hatte ich das verstanden.
Da "Onkel Remus' Wunderland" in den 90ern noch auf VHS erschienen ist, kann ich in dem Fall sogar mitreden - und ... es ist etwas komplizierter.
Der Film verherrlicht/verniedlicht/beschönigt
nicht das Thema Sklaverei. Du bist aber nicht allein in dem Irrtum, das liest man sehr oft im Internet - und daran ist Disney selber schuld, dass diese Fehldeutung so breit kursiert. Wäre der Film, so wie du es auch vorschlägst, weiterhin frei erhältlich (sehr gerne mit unüberspringbarem Intro und Begleitdokus, um ihn in Kontext zu setzen), würden vielleicht weniger Leute das mangels Möglichkeit, es zu überprüfen, einfach nachplappern.
Der Film spielt in der Wiederaufbauära des Südens, als die Sklaverei schon abgeschafft war, aber viele Schwarze dennoch für reiche Weiße auf den Feldern und in den Küchen arbeiteten, einfach, weil der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel damals nicht so rasch vorwärts kam, wie es wünschenswert gewesen wäre.
Nun ist "Onkel Remus' Wunderland" alias "Song of the South" ein sehr kitschig-naiver Familienfilm, und daher blendet er viele Umstände der damaligen Realität aus, um sich auf seine Freundschaft zwischen einem weißen Bengel und dem netten, schwarzen Onkel aus der Nachbarschaft zu konzentrieren. Und der hauptsächliche Vorwurf, der dem Film gemacht wird, ist, dass er die Wiederaufbauära unwillentlich romantisiert. Und daran ist was dran - aber dabei bleibt es auch eigentlich schon im Großen und Ganzen (es gibt noch das ganze Teerbaby-Thema, aber ich kürze das hier einfach mal ab, nicht schlagen bitte).
Somit ist "Onkel Remus' Wunderland" (in meinen Augen) durchaus ein Film, den man mit einer kritischen Distanz sehen muss. Denn das wäre so, als würde man einen Kinderfilm drehen, der in Deutschlands Trümmerjahren spielt, und der so tut, als wäre mit dem Wegfall des Dritten Reichs jeglicher Antisemitismus verschwunden. Solche Filme gab es ja sogar - Filmdeutschland liebte seinen Eskapismus in dieser Zeit. Auch das hatte (meistens) keine böse Absicht, dennoch ist es Geschichtsverleugnung, die damalige Ära als supidupi zu zeichnen.
Oder, um den Film wieder in den US-Kontext zu bringen: Ja, er ist naiv, gute Güte, ist er naiv! Aber er hat weitaus weniger Südstaatenromantik als "Vom Winde verweht", der viel unkritischer mit einer Rassenungleichheit umgeht, geschweige denn "Geburt einer Nation", der den KKK als Helden verehrt - beides Filme, die in keinerlei Giftschrank weggesperrt wurden.
Zudem sind in "Onkel Remus' Wunderland" sowohl eine weiße Großgrundbesitzerin als auch zwei freche, weiße Nachbarskinder negativ gezeichnet - als herrisch und befehlshaberisch beziehungsweise als vorverurteilend und aggressiv. Remus unterdessen ist eine der facettenreicheren Figuren, die Disney bis dahin in seinen Langfilmen einbaute - zeitweise aufbrausend, doch sich schnell beruhigend, humorvoll und kreativ. Der Film hat also sogar gute Absichten (jedenfalls unterstelle ich sie ihm), selbst wenn er bei der Umsetzung partiell an seinem "Heile-Welt-Bild" stolpert. Im Kontext der 40er-Jahre war der Film also ziemlich progressiv, jedoch ändert das nichts daran, dass eine Geschichte, die kurz nach der Sklavereiära spielt, glückliche Schwarze zeigt und einen gutmütigen Geschichtenerzähler, der bei Streit mit einer Großgrundbesitzerin stets deeskalierend aus dem Weg geht, in dieser weichgespülten Naivität ein falsches Geschichtsbild erzeugen kann.
Kurzum, was ich hier radebrechend auszudrücken versuche: "Onkel Remus' Wunderland" ist kein ideologisch-überzeugter, rassistischer Film, dem anzumerken ist, dass da Leute am Werk waren, die die Sklaverei schönreden wollten. Keineswegs. Aber er tappt aus Unwissen und/oder Desinteresse in einige Fettnäpfchen, manche überschaubar, andere unglücklich, andere haarsträubend. Es gibt halt Untaten aus Überzeugung und aus Dummheit - beides ärgerlich, doch jeweils ganz anders zu bekämpfen. Und dies fällt für mich in die zweite Kategorie. Ein Selbstverbot Disneys ist albern, ein aufklärerischer Umgang mit dem Film wäre da deutlich hilfreicher.
(Disclaimer: Hier versucht ein weißer Westeuropäer was über die popkulturelle Diskriminierung Schwarzer in einem US-Film zu erzählen, also nehmt das "with a grain of salt" ...)