Mag sein, kenne die Krankheit zuwenig. Vielleicht gibt es da auch unterschiedlich starke "Versionen" von?
Du kennst diese Krankheit nicht nur zu wenig, sondern ich bin ziemlich sicher, dass Du - so wie 99,99% aller Europäer und US-Amerikaner- bis zum Lesen dieses Artikels vermutlich noch nie zuvor von ihr gehört hast, richtig? Ich kenne sie dagegen sehr gut, und interpretiere und bewerte die Darstellungen in dem Artikel daher ein klein wenig anders.
Als Initiator der einzigen deutschen Selbsthilfegruppe zu diesem Thema kenne ich knapp 100 Familien, in denen mindestens eines der Kinder von dieser Stoffwechselstörung betroffen ist. Du hast Recht, es gibt unterschiedliche Schweregrade, nämliche eine klassische Risikovariante und unzählige milde Ausprägungen, die zwar genetisch nachweisbar sind, bei denen es aber noch nie zu irgendwelchen Auffälligkeiten gekommen ist und die vermutlich völlig harmlos sind.
Wie Merlin schon geschrieben hat: Falls die Eltern frühzeitig vom Vorliegen der Stoffwechselstörung erfahren, wachsen selbst Kinder mit der Risikovariante völlig normal auf, ohne in ihrem Leben irgendwie eingeschränkt zu sein.
Die in dem Artikel von den Eltern gemachte Aussage: "
Es gibt kein Medikament und keine Heilungsmöglichkeit" und "
Wir sind 7 Tage pro Woche, 24 Stunden pro Tag wachsam" hört sich natürlich sehr dramatisch an, man muss es allerdings zu interpretieren wissen. Die Stoffwechselstörung ist, wenn sie bekannt ist, so leicht händelbar, dass man auf überhaupt nichts achten muss, als nur auf regelmäßige Nahrungsaufnahme, also spätestens alle 8-10 Stunden muss was gefuttert werden. Keine Spezialnahrung, sondern ganz normal. Insofern gibt es auch keine immensen Kosten, welche die Eltern zu tragen hätten. Zumindest werden sie nicht wegen der Krankheit ihrer Tochter kein Geld auf der hohen Kante haben.
"
Es war ein wirklich hartes jahr für uns" wird die Mutter zitiert. Klar, aber das hat nichts mit der Stoffwechselstörung zu tun (denn es ist ja noch nie zu einer Unterzuckerung gekommen), sondern ist vermutlich immer so, wenn es 4 Kinder zu versorgen gilt.
Wie bei allen Krankheiten gibt es natürlich auch hierbei einzelne Eltern, die ein riesen Buhei um ihr ach so bedauernswertes und krankes Kind machen. Meist sind das diejengen Eltern, die extrem wenig Ahnung von dieser Krankheit haben und von ebenso uninformierten Ärzten betreut werden.
Genaugenommen ist aber jedes der unzähligen an Diabetes leidenden Kinder, welches sich mehrfach pro Tag eine Insulinspritze setzen muss, oder z.B. die Kinder mit PKU (Phenylketonurie), die ihr Leben lang eine ganz streng berechnete eiweißarme Diäternährung brauchen, sowie deren Familien, viel stärker in ihrem Leben eingeschränkt, als dieses im Artikel genannte Mädchen, welches sich nach Meinung der Ärzte und der Betroffenen noch die "beste" aller möglichen Stoffwechselstörungen ausgesucht hat.
Nicht falsch verstehen - das Mädchen selbst kann am wenigsten dafür! Ich gönne ihr den schönen Urlaub, und ich finde es toll, dass auch sie sich jetzt dafür einsetzt, Geld für die Wunscherfüllung eines weiteren Kindes zu sammeln.
Ich habe aber nur wenig Verständnis dafür, dass die Eltern so einen Aufriss um die Krankheit ihrer Tochter machen. Ich werde mal in meinem Betroffenenforum auf den Artikel verweisen und ich bin ziemlich sicher, dass sich sogar die Eltern, deren eins bis zu vier Kinder alle die Risikovariante aufweisen und schon einige Krankenhausaufenthalte hinter sich haben, nur an den Kopf greifen und fragen werden: "
Was? Dafür?"
Andererseits, wenn ich so darüber nachdenke, ist die ganze Geschichte natürlich schon verständlich. Vermutlich wurde die Familie von irgendeinem Verwandten oder Freund bei der Foundation vorgeschlagen ("
Hach, das aaaarme Kind, und die aaaarme Familie"). Selbst wenn die Familie inzwischen schon sehr gut und unkompliziert damit leben kann (nach spätestens ein bis zwei Jahren kann das nämlich jede halbwegs informierte Familie!) - wer würde es dann schon ablehnen, wenn einem plötzlich ein 6000$ Urlaub in Florida und WDW als Geschenk angeboten wird. Normalerweise hätte ja auch niemals jemand davon erfahren - wenn die ganze Geschichte nicht jetzt aufgrund der Spendenaktion des Mädels in die Zeitung gekommen wäre. Und selbst so - es kennt ja keiner der Leser diese Stoffwechselstörung, also was solls?
Kurz gesagt: Make-a-wish finde ich super! Das Disney das in die Brunnen geworfene Geld dafür verwendet, finde ich super! Die aufgrund des tollen Urlaubs ins Leben gerufene Spendenaktion des Mädchens finde ich super!
Die oben angedeuteten gemischten Gefühle beim Lesen des Artikels habe ich nur, weil ich ausnahmsweise das diese spezielle Wunscherfüllung berechtigende "Leiden" in- und auswendig kenne und denke, dass es jede Menge anderer kranker Kinder gibt, die wirklich mit nennenswerten Einschränkungen zu leben haben und deren vielleicht ebenfalls kein Geld für einen Florida-Urlaub habende Familien es meiner Meinung nach mehr verdienen, mit so einem Geschenk bedacht zu werden. Die Entscheidungsträger bei Make-a-wish sind aber halt auch nur Menschen, die nicht jedes Krankheitsbild so detailliert kennen, das sie wirklich qualifiziert gewichten könnten. Und wie man in dem Artikel sieht - man kann manches auch darstellen, indem man sich auf die dramatischen Details beschränkt.
Gruß, ixplora