Freitag, 30.09.
Wir standen um acht Uhr auf. Bis Zehne sollten wir das Haus verlassen haben, im aufgeräumten Zustand selbstverständlich. Wir fingen zeitgleich mit den Vorbereitungen für das Frühstück und dem Aufräumen an. Zwei Leute zogen von den benutzen Betten die Wäsche ab und sammelten sie wie in der Hausordnung angegeben im Flur. Die anderen berieten den Kaffee und wuschen die Erdbeeren. Um kurz vor neun trafen wir uns dann zum Frühstück. Danach kehrten wir die letzten Dinge zusammen und verließen um exakt zehn Uhr das Haus.
Wir hatten dieses Mal etwas mehr als vier Stunden vor uns im Auto. Unterwegs hielten wir noch am Hoover Dam. Eigentlich wollte ich auch gemütlich Boulder City und Lake Mead mitnehmen, doch am Hoover Dam waren wir dann so fasziniert von der Gewaltigkeit dieses Monuments, dass wir länger als geplant auf dieser unglaublich windigen Brücke über der Talsperre verbrachten. Im Auto machte ich dann etwas, was so amerikanisch ist wie Erdnussbutter-Gelee-Stullen: Mit einer großen Tüte Tortilla-Chips auf dem Schoß hinters Steuer klemmen und während der Fahrt dieses Junk-Food in mich reinstopfen, während ich das alles mit Cola aus dem Universal-Souvenir-Becher runterspülte.
Der restliche Weg nach Las Vegas war von stockendem Verkehr und Stau bestimmt. Das gab uns allerdings die Gelegenheit, die riesigen Solarfarmen an den Seitenrändern des Highways zu betrachten. Diese gewaltigen Photovoltaik-Anlagen versorgen Las Vegas komplett mit erneuerbarer Energie, auch nachts. Das heißt, sie haben auch die entsprechenden Speicher-Möglichkeiten geschaffen, den produzierten Strom bis zum Einsatz aufzubewahren.
Beim Hineinfahren nach Las Vegas schon staunten wir über die Megabauten der Hotel- und Casinokomplexe. Die Werbetafeln blinkten schon tagsüber wie wild und versuchten alle möglichen Shows von mehr oder weniger berühmtem Unterhaltungspersonal an die Vorbeifahrenden zu bringen.
Ich hatte mir auch hier den Verkehr furchtbarer vorgestellt, also ja, es ging wahrlich langsam voran und von Sicherheitsabstand oder Rettungsgasse hat hier auch nie jemand etwas gehört. Allerdings zeigen sich die Autofahrer vorbildlich, wenn es darum geht, dass eine Touri-Clique von ganz links nach ganz rechts die Spuren wechseln musste - oder umgekehrt. Jedenfalls wurde ich anstandslos reingelassen, wenn ich brav den Blinker setzte. Das fand ich sehr gut und so kamen wir am “Luxor” ohne größere Nervenaufreiberei an. Ich entließ meine drei Männer samt Gepäck, und beschied ihnen auf mich in der Lobby zu warten, denn dort war es weitaus kühler als im heißen Wüstenwind.
Ich fuhr indes zum großen Mietwagenzentrum des Flughafens und gab den Wagen in die treuen Hände eines Avis-Mitarbeiters, der mit mir zusammen den Wagen kontrollierte. Er schien ein paar Punkte auf einer Liste abhaken und sagte, es sei alles in bester Ordnung, ich dürfe gehen.
Vom Mietauto-Parkhaus gelang ich in eine riesengroße Lobby, wo jede bekannte Leihwagenfirma vertreten war, die man in der westlichen Welt so kennt.
Am Informationsschalter erkundigte ich mich, wie ich von hier aus zum Luxor gelänge und die freundlichen Menschen deuteten mir den Weg zu den Haltestellen von Taxen und den üblichen Mitfahrdiensten wie Uber oder Lyft. Da es in Las Vegas mittlerweile Fix-Preise für unterschiedliche Zonen gibt, und somit auch kein Anbieter günstiger sein konnte als ein anderer. Daher nahm ich das erste Taxi, welches sich mir bot und ließ mich zum Luxor zurückfahren. Ich unterhielt mich sehr nett dem Fahrer, darüber wie unterirdisch gerade de Verkehr war, typisch Wochenende, er kenne das zur Genüge und so weiter. Jedenfalls ließ er mich an einem ganz anderen Eingang raus, als ich vorher meine Gefährten, sodass ich quer durch das Hotel laufen musste, damit ich sie an der anderen Seite aufsammeln konnte. Ich fand die Herren draußen vor, was mich einigermaßen irritierte, und sie waren ebenso erstaunt, dass ich aus dem Hotel heraus kam. Ich klärte die Situation schnell auf und schnappte mir einen Koffer sowie die Tasche mit unseren übrigen Snacks und Getränken. Während wir also wieder zur Haupthalle zurückliefen, versuchte ich uns online einzuchecken, was nur leider gar nicht funktionierte. Also mussten wir uns in die lange, jedoch sich schnell vorwärts bewegende Schlange einreihen.
Wie gesagt, bewegte sich aber alles recht schnell vorwärts. Eine bizarre Szene entspann sich an einem der hinteren Schalter, wo sich mehrere Personen mit Securitys und Rezeptionistin in einem Streitgespräch befanden, was zwischenzeitlich zu eskalieren drohte. Irgendwie hielt ich diese Art Auseinandersetzung für recht normal an einem Ort wie diesen und war weder beunruhigt noch befremdet. Las Vegas eben.
Ich checkte meine Gruppe ebenso flüssig ein wie all die unzähligen Male zuvor; und wir zogen schnell von dannen. Unsere Zimmer lagen im 14. Stock, mit Blick auf den von Sphinxen und Obelisken gesäumten Pool.
Was ich jedoch nicht wusste, ist, dass in Las Vegas das Rauchen in den Casinos, bzw. Casino-Etagen der Hotels erlaubt war. Plötzlich stand ich nämlich in der Rauchwolke einer billigen Zigarre und hatte den Hustenanfall des gesamten Urlaubs. Wir bahnten uns anschließend einen Weg durch das Gewusel zu einem von zwei Aufzügen, die uns bis zum 14. Stockwerk bringen würde. Allerdings offenbarte sich an einer offen stehenden Klappe, aus der diverse Kabel raushingen, der desolate Zustand des Hotels, welcher ansonsten unter einer dicken Schicht Chi-Chi versucht wurde zu verstecken. Die besagte Klappe stand auch noch bei unserem Auszug am Sonntag sperrangelweit offen. Um die Wartung kümmerte man sich hier also auch nur noch sporadisch. Ebenso waren wohl während Corona die Kaffeebereiter und Minibars aus den Zimmern ersatzlos gestrichen. In den Zimmern klafften die Lücken, wo die Geräte vorher mal standen, wie frisch rausoperierte Karies-Zähne. Ab diesem Zeitpunkt war ich mir nicht mehr so sicher, ob wir das richtige Hotel gebucht hatten. Doch trotz dieser Unzulänglichkeiten war das Zimmer sehr schön, geräumig und die Betten waren wundervoll bequem.
Auch die Innenarchitektur war einfach bombastisch. Ich zeige Euch eine kleine Auswahl an Bildern, die wir bei der ersten Erkundungstour nach Bezug der Zimmer aufnahmen:
Es ist schon wirklich erstaunlich, welche surrealen Ausmaße ein Gebäude und sein Inneres annehmen kann, wenn man den Kreativen den Satz “Geld spielt keine Rolle!” als Freigabe für alles entgegenwirft. Aber nicht nur das Luxor strahlt trotz des offensichtlichen Alters diesen maßlosen Exorbitantismus aus. Da gibt es ja noch das “New York-New York”, das “MGM Grand Hotel”, den “Caesar’s Palace”, das “Paris Las Vegas” und vor allem das “Venetian”. Wir wollten so viele dieser Hotels besuchen, wie möglich. Doch die Zeit war knapp und wir nahmen als allererstes unsere eigene Unterkunft genau in Augenschein. Wir begannen im Erdgeschoss, das fast ausschließlich aus Casino bestand und vereinzelt Bars sowie zwei Restaurants. Im Luxor gibt es auch eine E-Sports-Arena, die an den Wochenenden verschieden Turniere für alle anbietet. Meine Brüder waren begeistert, und gleichzeitig traurig, weil sie sahen, dass sie nur knapp eine Anmeldung zu einem “Super Mario Smash Bros.” Wettbewerb verpasst hatten, bei dem sie sich einigermaßen guten Chancen ausrechneten. Wir schritten nun noch den inneren Rand der Pyramide ab, und entdeckten dort kleiner Läden, die vor allem Nippes und Kosmetik-Krams offerierten. Zusätzlich waren hier zwei Theater für die Shows “Amercia’s got talent presents - Superstars live” mit ehemaligen Teilnehmern der Sendung und “Fantasy” - ein knapp bekleidetes Showgirl-Varieté. Den unteren Bereich hatten wir damit relativ schnell erforscht, daher ging es eine Rolltreppe hinauf in die erste Etage.
Im ersten Obergeschoss befand sich neben dem Food-Court mit mehreren Imbissständen und einem von drei Starbucks noch zwei weitere Theater, wo die “Blue Man Group” und ein Comedy-Magier namens “Carrot Top”, den ich schon ab und an mal im Fernsehen in irgendwelchen Sitcoms wahrgenommen hatte, auftraten. Außerdem gab es hier auch zwei Ausstellungssäle. Einer war der “Titanic Experience” gewidmet, die mein Mann und ich am Samstag besuchen wollten und die andere war “Bodies… The Exhibition” oder zu Deutsch “Körperwelten”.
Meine Brüder waren ganz heiß darauf, in Las Vegas eine Show zu sehen, weil auch das zum Vegas-Erlebnis dazugehört. Daher schlugen wir direkt bei der Blue Man Group zu, ohne zu wissen, dass ganz in der Nähe noch eine Jabberwockeez-Show lief und unfassbare sechs Cirque-du-Soleil-Shows. Ich liebe den Cirque du Soleil und freute mich früher immer darüber, dass oftmals an meinem Geburtstag in Arte eine Aufnahme von einer deren Shows lief.
Wir jedoch kauften unbedarft, wie wir nun mal sind, drei Tickets für die blauen Männer am Samstag, um 20 Uhr. Als Bewohner des Luxors gab es auf den Ticketpreis 10 % Rabatt und ich sackte als Mitglied des “MGM Rewards”-Programm, mit dem ich auch bei den Zimmern einen kleinen Rabatt erhielt, zusätzlich Prämienpunkte ein.
Da der Foodcourt direkt nebenan lag, wollten wir dort unser Abendessen verspeisen. Dort angesiedelt waren die Ketten “Johnny Rockets” (Burgerladen), “Bonanno's Pizzeria”, “L.A. Subs”, “Nathan's Famous Hotdogs” und “Original Chicken Tender”. Mein Mann und ich holten uns bei Johnny Rockets den “Streamliner”-Veggie-Burger mit Pommes, die beiden anderen hatten ein riesiges Stück Pizza und Hühnchen-Teile. In dem Foodcourt konnte man zudem einen Souvenir-Becher für 10 Dollar kaufen, mit dem man bei den aufgedruckten Restaurants unter Vorlage des Kassenbons (muss aktuell sein!) für den Rest des Aufenthalts kostenfrei auffüllen lassen konnte. Da die Getränke in Las Vegas mega teuer sind, war es für mich keine Frage, einen solchen Becher zu kaufen. Ich teilte mir die Getränke immer mit meinem Angetrauten, und wir nutzten den Becher ausgiebig. Ich trug ihn mit mir herum, und ließ auffüllen, wo möglich. Bei der Menge an herumgetragenen Bechern fiel ich gar nicht weiter auf. Allerdings waren die Becher der anderen meistens mit Alkohol gefüllt. Meiner nicht. Die Füllmenge liegt bei ungefähr einem Liter, schätze ich.
Mit vollen Mägen ging es wieder weiter. Die Brüder wollten sich unbedingt das Turnier in der E-Sport-Arena anschauen, also begleiteten wir sie und nach erfolgreichem Abladen machten wir eine Fotosafari im nächtlichen Las Vegas. Es war so bunt und glitzernd, wie alle beschrieben, aber schaut doch selbst.
Wären es weniger Menschen, also mindestens 70 % weniger Menschen, dann hätte ich mich im Himmel gewähnt. Ich mag das total, wenn die Lichter einer Stadt um mich herum den verheißungsvollen Schein von exquisiten Genüssen und Aufführungen von Klasse und Format verbreiten. Ich stellte mir vor, wie es wohl damals war, als das Rat Pack um Frank Sinatra hier aufgetreten sind oder Wayne “Mr. Las Vegas” Newton seine Stimme ins Auditorium sandte; und dann fantasierte ich von gut gekleideten Menschen in feinem Zwirn, Krawatten und Hüten. Dass ich ein großer Fan von “Fallout: New Vegas” bin, lässt sich wohl einfach erraten (außer man kennt das Spiel nicht).
Es war schön. Wirklich sehr schön, abgesehen von den vielen anderen Besuchern und Animateuren, die versuchten uns in ihre Läden zu locken. Als Deutsche kann man da ja immer sagen: Hää, nix verstehen und das Weite suchen. Immerhin. Ich glaube, wenn wir Las Vegas noch einmal besuchen, dann eher dienstags bis donnerstags. Freitags reisen die Wochend-Ausflügler an und montags werden noch die letzten Schnapsleichen vom Asphalt gekratzt, daher sind diese Zwischendrin-Tage für mich die Alternative.
Danach ging es auch schon bald wieder zurück, wir sind gerade mal bis zum Flamingo gelaufen, die wirklichen Paläste wie das Venetian lagen noch weiter entfernt als wir im Moment laufen konnten.
Zurück im Hotel rauchte ich noch eine Gute-Nacht-Zigarette und legte mich schlafen. Diese Nacht verlief ohne besondere Vorkommnisse.