Nachdem Disney über Pixar mit dem großartigen Coco direkt auf den mexikanischen Markt abgezielt hatte, geht es mit Encanto - sehr mit der Brechstange - dem südlichen Mittelamerika und dem nördlichen Südamerika entgegen.
Leider geht bei Encanto aber vieles mit der Brechstange und ohne den Charme von Coco.
Das zieht sich von der ersten bis zur letzten Sekunde des Films, inkl. der Credits durch:
- Markt
- Botschaft auf Makroebene
- Botschaft auf Mikroebene
Ok, nicht so ganz mit dem Dampfhammer wie bei Raya, aber dafür dauerhafter, ohne dass der Zuschauer mal eine Pause davon bekommt, moralinsauer eine Botschaft aufgedrückt zu bekommen.
Dennoch finde ich den Film nicht per se schlecht, auch wenn mein Intro zur Filmkritik so klingen mag. Er hat durchaus seine Momente, nette (Neben)figuren, in vielen Momenten finde ich ihn visuell herausragend und ja, eine paar richtig kreative Elemente sind auch dabei.
Was ein großer Mangel des Films ist, ist leider die Hauptfigur Mirabel selbst, mit der es einem schwerfällt, wirklich Sympathie aufzubauen, dafür ist sie einfach zu überzeichnet. Aus dem extrem überzeichnet kugeläugigen Kind wird die, genauso extrem überzeichnete, junge Frau, viel zu aufgedreht, viel zu nervend in vielen Sequenzen, zu übertrieben naiv in ihrem Streben zu helfen und mit einer, im Gegensatz zur mütterlichen Aussage, gar nicht coolen, sondern viel zu übertriebenen Hippster-Brille versehen.
Andere Figuren, die deutlich stärker wirken und auch unterhaltsamer, ohne gleichzeitig so nervend zu sein, bekommen zu wenig Raum. Bruno ist richtig stark, die Abuela könnte viel stärker sein, aber ihr wird ständig zuviel genommen, weil die Wechsel in ihrer Art mehrfach viel zu abrupt und dadurch unglaubwürdig dargestellt wirken.
Ich finde, da wurde viel verschenkt.
Die Musik schwankt zwischen echt gut und vollkommen unpassend zum Setting, sowie Songs, die mit vollem Recht im Halbfinale des Eurovision Song Contest ausscheiden würden.
Rausgerissen wird hier die, alles in allem bestenfalls mittelprächtige, kompositorische Leistung, wie auch viele der anderen Schwächen von Encanto, erneut durch tolle visuelle Ideen und deren oftmals großartige Umsetzung.
Alles in einem allem trotz seiner Schwächen ein unterhaltsamer Film, aber mehr auch nicht. Es ist kein Film, von dem was zurückbleiben wird, kein Film, den ich mehrfach sehen will oder werde und keiner, an den ich mich in 2 Jahren noch groß erinnern werde.
Dafür ist die Story einfach zu schlicht, zu banal, zu vorhersehbar, hat zuviele Lücken und Widersprüche, die Botschaften sind zu ausgelutscht und auch zu belanglos, weil es Botschaften sind, die es so zuckersüß - oder soll ich sagen: klebrig süß - schon in den Weihnachtsserien des deutschen ÖRR in den 80er Jahren gab und sicher auch schon früher. Nichts, was aufrüttelt, keine neuen Perspektiven, sondern zu wohlfeil und flach. Oder wie der durchschnittliche Rosamunde Pilcher Leser sagen würde: "hach, der Film ist doch was fürs Herz"
Visuell würde ich dem Film 10/10 geben, die Grundidee der Story, das Haus, sein Eigenleben, das ist auch toll, da wären auch 9/10 drin, vielleicht sogar mehr. Aber aus der Idee und ihren Möglichkeiten wird leider ein zu flacher Film gemacht, die Ideen werden für die banale Ausgestaltung der banalen Botschaft geopfert, sehr schade, deshalb für diese Ausgestaltung der Story nur 5/10. Die Musik bekäme vielleicht 6/10, oder 5/10 wird durch die visuelle Ausgestaltung der Musical-Elemente aber deutlich gehoben, deshalb komme ich da auf 7 oder 8/10. Hängen bleibt allerdings auch kein einziger Song - höchstens die nervigen Kinder, die Mirabels Gift wissen wollen vom Anfang des Films.
Alles in allem würde ich sagen 6/10, vielleicht 6,5/10.
War nett ihn gesehen zu haben, aber das war es dann auch - und ich finde, es wäre mal wieder Zeit für eine Disney Renaissance, damit endlich mal wieder Filme von Disney kommen, die uns ewig in Erinnerung bleiben und uns auch in 30 oder 40 Jahren noch bewegen und beeindrucken.